a train of thought - lost

Warte, bis es dunkel ist

"Geh nicht so nah dran", haben die Eltern frueher gesagt, "du verdirbst dir die Augen!" Natuerlich hat man sich nie daran gehalten und rueckte so dicht wie moeglich vor den Fernseher..

So wie beim Tanken, wenn man sich ueber die Benzindaempfe beugt, um den betaeubenden Geruch einzuatmen, der die Luft so verheissungsvoll flirren laesst. Im Grunde naehern wir uns Filmbildern in derselben Hoffnung, als seien sie eine Art offener Tankdeckel zu einer anderen Welt, der Daempfe entsteigen, an denen wir uns berauschen koennen. Seither sitzen wir jedenfalls auch im Kino immer so nah wie moeglich an der Leinwand - um uns die Augen so gruendlich wie moeglich zu verderben.

Mittlerweile sind wir wahrscheinlich vollstaendig verdorben, aber das macht nichts, weil wir im Kino ein zweites Leben gefunden haben, das viel besser ist als das unsere und ihm doch aufs Haar gleicht. Darin liegt die doppelte Natur des Kinos: dass es stets Auskunft gibt ueber das, was ist, und das, was moeglich waere, darueber, wer wir sind und wer wir gerne waeren.

Michael Althen

11:20 a.m. - 2014-05-08